Beschreibung
Zu kurz war sie, die kurzweilige und entspannende Lektüre aus dem Hause Diogenes. Gelesen habe ich Hansjörg Schneiders zehnten Hunkelerroman »Hunkeler in der Wildnis«. Es sei sein vielleicht bester »Hunkeler« erzählt Schneider, was mich zum Nachdenken darüber gebracht hat, was ich denn gelesen habe? Einen Kriminalroman? Nicht wirklich. Gut, es gibt einen Toten, aber der lehnt auch nur halbherzig engagiert mit eingeschlagenem Schädel und einem Grasbüschel im Maul an einer Mauer, es gibt ein paar dröge Ermittler, zusammengenommen ist das tatsächlich so etwas wie ein Fall, aber das ist es nicht, was mich bei der Lektüre berührt hat. Da ist viel mehr und viel anderes.
Die »Wildnis« im Titel ist die Wildnis eines Lebens, in dem ein alter Mann uns an einer weit angelegten Meditation teilhaben lässt. Hunkeler spaziert. Hunkeler wandert. Hunkeler betrachtet die Natur als wäre er ein entfernter Cousin von Franz von Assisi. Hunkeler isst, trinkt und grantelt. Von allem nicht zu knapp. Hunkeler schaut dem Rhein beim Fliessen zu. Hunkeler legt sich in den Rhein und lässt sich durch sein Leben treiben. Hunkeler besucht Menschen, begegnet Menschen, meidet auch welche. Hunkeler ist Astronom, Bauer, grosser Leser, kundiger Mystiker. Vom Verschwinden (s)einer Welt erzählt er und stellt Stück um Stück gelebtes und geliebtes Leben auf ein Fensterbrett. Es mutet wie ein Alpaufzug an. Auf eine Alp hinauf, von der wir nur ahnen können, wo sie liegt.
Klar, dass Hunkeler den Fall löst, hätte er das nicht getan, wärs kein »Hunkeler«.
Ich werde, sobald es möglich sein wird, am Kannenfeldpark vorbei ins Elsass wandern, vielleicht bis nach Knoeuringue in die Beiz von Scholler, ich werde in der Landschaft zu verschwinden versuchen, ganz so wie er mich als Leser anleitet, der grosse, wunderbare Hansjörg Schneider in diesem zauberhaften, kleinen Roman, der als Krimi verkleidet daherkommt und doch eher ein »Handorakel« ist, das von der Kunst der Lebensklugheit erzählt.
Meine Leseempfehlung zum Palmsonntag.